Nach 21-stündigem Verhandlungsmarathon wurde am 1. Mai 2024 ein Tarifergebnis erreicht, das es hinsichtlich der Komplexität unter der Marke Postbank so bisher noch nicht gegeben hat.
Aufsetzend auf der am 02./03. Mai veröffentlichten Tarifinfo möchten wir nachfolgend einige Inhalte dieses Tarifergebnisses etwas genauer beleuchten.
Tariflicher Kündigungsschutz bis zum 31. Dezember 2027 verlängert
Wahrscheinlich war der Kündigungsschutz seit Bestehen der Postbank Filialvertrieb AG nie wichtiger als heute. In der Zeit des vermutlich größten Umbruchs in der Geschichte des Unternehmens konnte für mehr als drei Jahre die bisher bewährte Regelung für alle Tarifbeschäftigten gesichert werden!
Im Verhandlungsverlauf wurde schnell deutlich, dass die Verlängerung des Kündigungsschutzes kein leichtes Unterfangen wird. Das vor allem vor dem Hintergrund der bevorstehenden einschneidenden Veränderungen. Rückwirkend betrachtet hat sich jeder vergossene Schweißtropfen gelohnt – im Ergebnis steht der für die Marke Postbank längste, jemals vereinbarte Kündigungsschutz und damit verbunden die Gewissheit, dass niemand gegen den eigenen Willen von Bord gehen muss. Der Arbeitgeber war und ist somit auch weiterhin gefordert, beim angekündigten Personalabbau intelligente Lösungen zu entwickeln, um Beschäftigte von einem Ausstieg aus freien Stücken zu überzeugen. Für die Interessenausgleichsverhandlungen, die der Gesamtbetriebsrat mit der Arbeitgeberseite geführt hat, war diese Regelung eine enorme Hilfe
Tarifvertrag Altersteilzeit bis 31. Dezember 2027 verlängert
Der in der letzten Tarifrunde erstmals abgeschlossene Tarifvertrag wurde verlängert und dabei so modifiziert, dass er primär – aber nicht ausschließlich – den Mitarbeitenden zugute kommt, die von der Umsetzung der Filialschließungen (betroffene Standorte werden gemeinsam mit dem Interessenausgleich kommuniziert) im Rahmen der neuen Ausrichtung der Privatkundenstrategie betroffen sind.
Wer kann unter welchen Voraussetzungen Ansprüche stellen?
1. Anträge auf Altersteilzeit für MAS, MASV und VBB Filiale an Standorten, die gemäß Interessenausgleich geschlossen werden, müssen arbeitgeberseitig genehmigt werden. Voraussetzung ist, dass die Altersteilzeit im sogenannten Blockmodell erfolgt und die Freistellungsphase bis zu neun Monate vor oder nach dem geplanten Schließungszeitpunkt erfolgt.
2. MAS, MASV und VBB Filiale an Standorten, die nicht geschlossen werden, können ohne Beschränkungen Altersteilzeit in Anspruch nehmen, wenn dadurch eine für den Arbeitgeber „zumutbare und dauerhafte Unterbringung eines Beschäftigten einer Schließungsfiliale“ möglich ist („Ringtauschoption“, vgl. § 2, Ziffer 2 b, TV Altersteilzeit). Auch in diesen Fällen ist eine Durchführung im Blockmodell mit einer Freistellungsphase von neun Monaten vor oder nach Schließungstermin Voraussetzung für die Realisierung.
3. MAS, MASV und VBB Filiale können darüber hinaus im Rahmen eines tarifvertraglich festgelegten Kontingentes Altersteilzeit in Anspruch nehmen, wenn keine „betrieblichen Interessen“ dagegen sprechen. (Über abgelehnte Anträge ist der Betriebsrat zu informieren, dieser hat die Möglichkeit, eine paritätische Kommission anzurufen. Dort kann dem Antrag zugestimmt werden.) Für das Kalenderjahr 2024 sind pro Flächenbetrieb jeweils sechs Altersteilzeitoptionen vorgesehen, für die Kalenderjahre 2025, 2026 und 2027 gibt es jeweils vier Optionen auf Altersteilzeit. Werden die betrieblichen Optionen nicht ausgeschöpft, kann eine Übertragung auf einen anderen Betrieb erfolgen.
4. Kundenberater*innen und Filialdirektor*innen können im Rahmen eines tarifvertraglich festgelegten Kontingentes – wie unter Punkt 3. bereits beschrieben – Altersteilzeit in Anspruch nehmen. Für das Kalenderjahr 2024 sind pro Flächenbetrieb jeweils drei Altersteilzeitoptionen vorgesehen, für die Kalenderjahre 2025, 2026 und 2027 gibt es jeweils eine weitere Option. Darüber hinaus werden Anträge auf Altersteilzeit im Rahmen der „doppelten Freiwilligkeit“ genehmigt. Zur objektiven Einwertung noch zwei Sätze: Die Arbeitgeberseite wollte in den Tarifverhandlungen die Altersteilzeit für Kundenberater*innen bis zum Schluss generell ausgeschließen. Wir sind wirklich sehr froh darüber, dass es trotzdem gelungen ist, auch in der Kundenberatung die Möglichkeit auf Altersteilzeit anbieten zu können.
Alle anderen bisherigen Regelungen, z. B. die Aufstockung der Alterszeitvergütung bleiben unverändert. (Der Nettoverdienst für Altersteilzeitarbeit beträgt mindestens 80 Prozent des um die gesetzlichen Abzüge geminderten bisherigen Arbeitsentgeltes.) Sowohl der konkrete Kommunikations- als auch der Antragsprozess werden jetzt zeitnah mit der Arbeitgeberseite vereinbart und entsprechend kommuniziert.
Weitere Inhalte, die insbesondere wichtig für den geschlossenen Interessenausgleich waren
1. Tarifvertrag „Standortgarantie Filialen“
Hier konnte erreicht werden, dass 320 Filialen (davon 200 Filialen mit Postgeschäft und 120 reine Bankfilialen) bis zum 31. Dezember 2026 gesichert sind. Von dieser Zahl kann nur abgewichen werden, wenn Ereignisse wie Naturkatastrophen oder unvorhersehbare Beeinträchtigungen eintreten, die eine wirtschaftliche Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes verhindern. Für die neuen regionalen Beratungscenter sind die Standorte Hamburg, Berlin, Schkeuditz, Essen, Wuppertal, Mainz, Mannheim, Nürnberg, München, Hannover und Bonn ebenfalls bis zum 31. Dezember 2026 gesichert.
2. Fahrtkostenmehraufwand / zeitlicher Mehraufwand
Für den Interessenausgleich waren hierdurch jetzt mögliche fahrplanbedingte Wartezeiten zwischen Ankunft und Dienstbeginn bzw. zwischen Dienstende und Abfahrt sowie Wegezeiten von und zur Haltestelle miteinzubeziehen (für die Betrachtung, ob PKW oder ÖPNV zeitlich günstiger ist). Darüber hinaus besteht jetzt bei einem zeitlichen Mehraufwand von insgesamt mehr als 150 Minuten täglich die Option, den Zeitaufwand, der 150 Minuten übersteigt, alternativ als Zeitgutschrift geltend zu machen.
Prozessvereinbarung zur Entgeltstruktur
Zwischen den Tarifparteien wurde vereinbart, dass zeitnah Verhandlungen aufgenommen werden, um eine „grundsätzliche Überprüfung des Entgeltsystems der Postbank Filialvertrieb AG“ vorzunehmen. Als wesentlich inhaltliche Eckpunkte gelten hierbei: Zukunftsfähigkeit, Entwicklungsmöglichkeiten für Beschäftigte und die Veränderung des Verhältnisses von variabler zu fixer Vergütung (die Verhandlungen darüber wurden Ende Mai aufgenommen.)
Vier-Tage-Woche
Die Tarifeinigung beinhaltet, dass bis zu einer individuell vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit von bis zu 36 Stunden auch eine Vier-Tage-Woche möglich ist. Voraussetzung dafür ist, dass entsprechende Wünsche von Beschäftigten mit den Dienstplänen kompatibel sind und die jeweiligen betrieblichen Regelungen (Betriebsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und örtlichem Betriebsrat) diese Möglichkeit konkretisieren. Die Betriebsräte müssen dafür entsprechende Regelungen treffen.
Fazit
Die Ge- und Entschlossenheit der Beschäftigten, die hohe Streikbereitschaft und die richtige Arbeitskampfstrategie von ver.di haben letztendlich dazu geführt, dass in schwierigen Zeiten dieses starke und vielschichtige Tarifergebnis erreicht werden konnte. Unser herzlicher Dank geht an alle, die das möglich gemacht haben!
Hier gibt es diese Tarifinfo als PDF zum Weiterleiten und Verteilen an eure Kolleg*innen vor Ort. Zusätzlich haben wir euch den kompletten Abschluss sowie ein FAQ zu häufigen Fragen zur Umsetzung zusammengestellt.