Foto: Kay Herschelmann
Ein Beitrag von Jan Duscheck in der Börsenzeitung vom 20.08.2021. Jan Duscheck ist ver.di-Bundesfachgruppenleiter Bankgewerbe und Verhandlungsführer in den Tarifrunden für die privaten und öffentlichen Banken.
Bis vor Kurzem galt die Beschäftigung in einer Bank als krisensicher und gut bezahlt. Heute sieht das anders aus: Über einhunderttausend Arbeitsplätze sind seit 2011 in einer Branche verschwunden, die wie andere um Konsolidierung ringt und mitten in der digitalen Transformation steckt. Verdi kämpft gemeinsam mit den Personal- und Betriebsräten dafür, dass in diesem Umbau möglichst viele Arbeitsplätze erhalten bleiben und unvermeidbarer Personalabbau so gestaltet wird, dass niemand gegen seinen Willen gehen muss.
Das gelingt häufig durch Vorruhestands- oder Abfindungsprogramme, die gerade von älteren Beschäftigten gern angenommen werden, auch weil sich die Arbeitsbedingungen in den letzten Jahren durch zunehmende Konzentration und Schließungen verschlechtert haben. Stärkere Arbeitsverdichtung, dysfunktionale IT-Systeme und weiter steigender Vertriebsdruck sorgen für Unmut. Gleichzeitig hat die Corona-Pandemie die Digitalisierung der Branche beschleunigt.
War mobiles Arbeiten im Homeoffice zuvor das Privileg weniger, musste es nun kurzfristig in der Breite umgesetzt werden. Und es zeigt sich: Erfolgreiche digitale Transformation ist nicht so sehr eine Frage von Prozessen und Ausstattung, sondern in ihrem Mittelpunkt steht die Ausgestaltung der zukünftigen Arbeitsbedingungen.
In diesem Umfeld haben sich die Bankenarbeitgeber von gemeinsamen Tarifverhandlungen verabschiedet. Verdi verhandelt die Arbeitsbedingungen der Branche erstmals seit 1972 mit zwei Verhandlungspartnern getrennt: mit dem Arbeitgeberverband der privaten Banken einerseits und dem Verband der öffentlichen Banken andererseits. Dabei geht es um die Zukunft der Arbeit: Insbesondere die Themen Entlastung und Ausgestaltung der digitalen Transformation müssen alle Beteiligten gemeinsam aktiv angehen.
Zudem gibt es noch offene Themen aus der Vergangenheit. Einigkeit herrscht etwa darüber, dass der geltende Tarifvertrag die heutige Arbeitsrealität nur unzureichend abbildet. Das zeigt sich etwa in der Entgeltstruktur, die im Alltag für Personaler und Arbeitnehmervertretungen eine einfache Vergleichbarkeit und Bewertung von Tätigkeiten ermöglichen soll. In ihr finden sich aber nach wie vor keine Programmierer/-innen oder Datenanalysten/-innen, dafür noch Fernschreiber/-innen oder Band- und Magnetplattenverwalter/-innen. Der Überarbeitungsbedarf ist allen Seiten bewusst, eine Einigung auf eine neue Struktur scheiterte in der Vergangenheit jedoch immer wieder an Kostenfragen.
Personalabbau zur Kostensenkung kann kein Zukunftsprogramm sein. Vorschläge der Gewerkschaft ritualisiert abzulehnen, hilft ebenfalls nicht, um in die neue Zeit zu kommen.
Jan Duscheck, ver.di-Verhandlungsführer für die Tarifrunden privates und öffentliches Bankgewerbe
Es ist erkennbar, dass sich die beiden Arbeitgeberverbände 2021 unterschiedlich aufstellen. Während der AGV Banken für die Privatbanken wie gewohnt erst einmal alle eingebrachten Forderungen mit Blick auf die Überforderung der eigenen Mitgliedsunternehmen in puncto Kosten und Organisation ablehnt, positioniert sich der Verband der öffentlichen Banken mit Gesprächsbereitschaft sowie eigenen Themen. Auch wenn uns nicht alle Ideen gefallen, ist hier der grundsätzliche Wille erkennbar, Tarifpolitik aktiv zu gestalten.
Drei Themen stehen aus unserer Sicht in beiden Tarifbereichen in der Tarifrunde im Vordergrund: Erstens eine angemessene Gehaltserhöhung. Obwohl es längst nicht mehr nur ums Geld geht, bleibt die Erhöhung der Gehälter mit Blick auf steigende Anforderungen an die Beschäftigten und der Inflationsentwicklung zentral. Abgesehen von Ausnahmen wie bei Investmentbankern hinkt die Gehaltsentwicklung im Bankwesen seit Jahren der allgemeinen Entwicklung der Tarifgehälter in Deutschland hinterher. Gleichzeitig ist die Inflation zuletzt auf bis zu 3,8 % und damit auf den höchsten Wert seit 13 Jahren gestiegen. Die Abschlüsse der vergangenen Jahre können deswegen keine Richtschnur für die Verhandlungen sein.
Zweitens geht es um flexiblere Arbeitszeitgestaltung und eine Entlastung der Beschäftigten. Hier gibt es aus unserer Sicht einen praktikablen Vorschlag. Er besteht im Wahlrecht zwischen einer Gehaltserhöhung in Form von mehr Geld oder mehr freier Zeit. Ohne zusätzliche Kosten können hiervon beide Seiten profitieren. Die Beschäftigten können mit diesem wichtigen Baustein ihre Arbeits- und Lebenszeit individueller gestalten und die Arbeitgeberseite erhält ein weiteres Instrument, um bei gleichzeitiger Beschäftigungssicherung das Arbeitsvolumen zu reduzieren.
Der dritte Schwerpunkt ist der Anspruch auf mobiles Arbeiten an bis zu drei Tagen pro Woche. Dies entspricht dem Wunsch der Beschäftigten in der Branche. Mehr Homeoffice bedeutet nicht zuletzt, dass den Unternehmen durch den geringeren Bedarf an Büroflächen finanzielle Vorteile entstehen. Es wäre nur fair, wenn diese nicht allein der Arbeitgeberseite zukommen, sondern zumindest teilweise an die Beschäftigten weitergegeben werden. Denn deren Nebenkosten dürften im Homeoffice deutlich steigen – bei immer höheren Energiepreisen kein zu vernachlässigendes Thema.
Es liegen große Herausforderungen vor den Tarifvertragsparteien. verdi kann und will diese mitgestalten. Die Arbeitgeberseite ist gefragt, mit uns Lösungen für die Herausforderungen der Branche zu entwickeln.
Personalabbau zur Kostensenkung kann kein Zukunftsprogramm sein. Vorschläge der Gewerkschaft ritualisiert abzulehnen, hilft ebenfalls nicht, um in die neue Zeit zu kommen. Die erfolgreiche Transformation der Bankenbranche ist nur gemeinsam mit den Beschäftigten zu schaffen. Dass das gelingen kann, zeigt der Abschluss aus den letzten Tagen zwischen Verdi und dem VÖB für die Nachwuchskräfte der öffentlichen Banken: Zukünftig profitieren dual Studierende vom Tarifvertrag der Branche und es gibt Regelungen für eine verbindliche Übernahme sowie zum Thema Nachhaltigkeit.
Jan Duscheck ist Bundesfachgruppenleiter Bankgewerbe bei der Dienstleistungsgewerkschaft verdi.
Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Börsenzeitung, 20.08.2021
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