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Mit dem neuen Jahr starten wir auch in die diesjährige Tarifrunde für den Versicherungsinnendienst. Am 26. Januar 2022 findet die erste Verhandlungsrunde zwischen ver.di und dem Arbeitgeberverband statt.
Tarifrunde und Pandemie
Diese Runde findet unter ganz besonderen Bedingungen statt. Denn viele Kolleginnen und Kollegen in der Branche sind seit Monaten ganz oder teilweise im Homeoffice. Das erschwert ver.di nicht nur die Informationsweitergabe an die Beschäftigten, sondern es verhindert auch den direkten Austausch und die Diskussion. Aber genau davon lebt unsere Arbeit normalerweise. Die Unterstützung für unsere Forderungen vor Ort ist zentral, um in Tarifverhandlungen gute Ergebnisse erzielen zu können. Hierfür werden virtuelle und hybride Aktionen eine wichtige Rolle spielen.
Die Versicherungsbranche ist bisher gut durch die Pandemie gekommen. Dafür sprechen sowohl das Beitragswachstum des vergangenen Jahres, die Wachstumsprognosen für 2022 als auch die guten, zum Teil glänzenden Geschäftsergebnisse.
Inflation bedroht die Einkommen
Bei den Sorgen der Beschäftigten steht neben der eigenen Gesundheit vor allem die steigende Inflation im Mittelpunkt. Schon die Preisentwicklung im vergangenen Jahr konnte durch die Tariferhöhung zum 1. Juni 2021 nicht mehr ausgeglichen werden. Zwischenzeitlich gehen fast alle Prognosen für dieses Jahr von einer Inflation von über drei Prozent aus. Und dabei gibt diese Zahl nur begrenzt die tatsächliche Auswirkung auf die Einkommenssituation wieder. Insbesondere die steigenden Energiepreise und die seit Jahren stark zunehmenden Mieten und Immobilienpreise belasten die Einkommen überproportional.
Nur zu verständlich, dass die Tarifkommission eine Tariferhöhung um fünf Prozent wie auch eine Einmalzahlung von 600 Euro – und damit neben einem Inflationsausgleich auch ein reales Plus bei den Einkommen – fordert. Aber Forderungen haben nur begrenzt Bedeutung, wenn die realen Tarifergebnisse letztlich nur Kompromisse zwischen den Verhandlungspartnern sind.
Arbeitgeber fühlen sich für Inflationsausgleich nicht zuständig
Und die Arbeitgeber? Der Hauptgeschäftsführer ihres Verbandes bezeichnet die ver.di-Forderungen als „stattlich“ und erklärt schon jetzt, dass sich die Arbeitgeber für einen Inflationsausgleich nicht zuständig fühlen. Da kommt der Verdacht auf, dass diese Seite die Kostensteigerungen in anderen Bereichen durch eine Absenkung der Reallöhne der Beschäftigten kompensieren will.
Deshalb stellt sich ver.di auf eine harte Tarifauseinandersetzung ein. Ohne Druck vonseiten der Beschäftigten wird es also schwer werden, die Realeinkommen zu sichern! Ein Blick in andere Branchen, z. B. die öffentlichen und privaten Banken, zeigt, dass gute Tarifergebnisse keine Selbstverständlichkeit sind. Hier verhandeln die Tarifvertragsparteien seit Juli des vergangenen Jahres und bisher ist noch keine Einigung in Sicht.
Dabei liegt es nicht zuletzt an Ihnen, ob es gelingt, die Realeinkommen zu sichern. Unterstützen Sie Ihre Gewerkschaft, werden Sie Mitglied, beteiligen Sie sich an Aktionen, denn: Ohne Ihre Unterstützung wird es schwer!
Martina Grundler, ver.di-Verhandlungsführerin
Wir für Tarif
In den vergangenen Monaten hat ver.di viele Erfahrungen mit Tarifauseinandersetzungen unter Pandemiebedingungen gemacht. Bestimmt werden wir so manche Aktion in virtuellen und hybriden Settings, aber auch Warnstreiks und vielleicht sogar Streiks brauchen, um ein gutes Tarifergebnis
zu erzielen.
Unsere Forderungen:
- eine Erhöhung der Gehälter um 5,0 Prozent
- eine zusätzliche Einmalzahlung von 600 Euro
- zwölf Monate Laufzeit
- eine Erhöhung der Auszubildendenvergütungen um 60 Euro pro Ausbildungsjahr
- überstundenzuschläge für Teilzeitbeschäftigte
- das Rückkehrrecht von Teilzeit auf Vollzeit für die Beschäftigten, die nicht unter die gesetzliche Brückenteilzeit fallen
- ein Rechtsanspruch auf Homeoffice/mobiles Arbeiten
- eine Verlängerung der Tarifvereinbarung zur Übernahme der Auszubildenden
- die Verlängerung und inhaltliche Weiterentwicklung des Tarifvertrags Qualifizierung
Hier gibt es diese Tarifinfo als praktisches pdf zum Herunterladen und Verteilen
Was der AGV als „stattlich“ bezeichnet, bezeichne ich eher als deutlich zu mild! Eine Einmalzahlung von 600 EUR brutto entspricht 1,36% p.a. des Durchschnittsgehaltes der Branche (je nach Quelle etwas höher oder niedriger). Die Inflationsrate hingegen lag im letzten Jahr bei 3,1%. Eine Inflation in ähnlicher Höhe wird für 2022 erwartet. Somit MUSS hier im Ergebnis min. eine 3 vor dem Komma stehen um am Ende nicht gleich in den nächsten Reallohnverlust zu rutschen.
Auch die Argumentation das der Arbeitgeber nicht für diesen Ausgleich verantwortlich sei sehe ich kritisch. Denn auch wir als AN oder unsere Kunden sind per se nicht für eine Niedrigzinsphase und die daraus resultierende Verlustminimierung des AG/VR verantwortlich….und doch haben wir viele Kröten geschluckt – und das zum Teil auch gerne!
Die AGs vergessen immer wieder gewisse Wirtschaftsprinzipien in solchen Verhandlungen….der gute und zufriedene MA von heute ist der Erwirtschafter des Gewinns von morgen!
Die Einstiegsforderung von Ver.di ist mal wieder viel zu niedrig angesetzt. Da darf man sich nicht wundern, wenn es kein Mitgliederwachstum in der Versicherungsbranche gibt.
5 % auf 12 Monate münden wieder in irgendwas zwischen 2-2,5 % auf 24 Monate, mit einigen Nullrunden-Monaten. Das ist völlig inakzeptabel und zeigt wie schwach die Gewerkschaftsvertreter an der Stelle agieren. Da muss deutlich MEHR passieren.
Ich bin nicht zufrieden!
Es ist sicher richtig, dass die Branche sich mehr leisten könnte, aber am Ende entscheiden am Verhandlungstisch nicht nur Argumente, sondern vor allen Dingen die Unterstützung durch die Beschäftigten in den Unternehmen. Die Branche hat aus meiner Sicht sehr gute Tarifverträge. Das sollte eigentlich genug Vorleistung sein, die die große Masse der Kolleginnen und Kollegen auch ohne Mitgliedschaft bekommt. Deshalb kann ich nur einen Satz unterstützen: Da muss deutlich MEHR passieren. Das bedeutet aber für mich: Mitglied werden, mitmachen. Eine Gewerkschaft ist ein Zusammenschluss von Arbeitnehmern, die sich gemeinsam für ein Ziel einsetzen. Deshalb „Wir für Tarif“.
Finde die Einstiegsforderung auch zu niedrig. Letztes mal wurden noch 6% bei 12 Monaten gefordert und man ging raus mit 2,8% plus und über ein Jahr später nochmal plus 2% bei 29 Monaten! Laufzeit.
Da kann man sich jetzt schon drauf einstellen, dass das Ergebnis noch schlechter wird. Schade…
Es muss endlich mal ein Tarif auf 12 Monate geschlossen werden und nicht immer breitschlagen lassen auf 24 und deutlich mehr Monate. 3-4% für 12 Monate sind akzeptabel. Und auch diese Taktik der Nullrunden muss unterbunden oder ausgeglichen werden! Und ja seit Dezember Verdi MItglied. Auf Einmalzahlungen kann verzichtet werden das sind Luftnummern sondern es braucht eine dauerhafte Erhöhung des Monatsentgelts
Ich sehe es ganz genauso wie Jens K., die Einstiegsforderung von 5 % ist ein Witz wenn wir uns realistischer Weise höchstens bei der Hälfte treffen!
Wenn Tarifverhandlungen so einfach wären, dass man nur 10% fordern muss und dann automatisch 5% herauskommen, dann wären einige Kommentare hier richtig. Aber leider ist es nicht so einfach. Tariffragen sind Machtfragen, also müssen wir alle gemeinsam mehr Macht entwickeln. Und das geht nur über mitmachen. Dann werden wir auch gute Ergebnisse erreichen.