Foto: Kay Herschelmann
Die zweite Verhandlungsrunde mit dem Arbeitgeberverband der öffentlichen Banken (VÖB) am 12.09.2024 rückt langsam näher und wir möchten im nachfolgenden Text die vielen Anfragen und Mails der letzten Wochen beantworten, warum das Angebot des Verbandes nicht zur Inflation passt. Die in den letzten Jahren entstandene und für die nächsten Jahre prognostizierte Inflation betrifft Tarifbeschäftigte wie AT/ÜT-Beschäftigte gleichermaßen, da die entstehenden Reallohnverluste alle gleichermaßen treffen. Was heißt das nun im Detail?
Was heißt das nun im Detail?
- Irreführende Reallohnbetrachtung
Branchenübergreifend steigen die Löhne zwar wieder. So lagen die Reallöhne im ersten Quartal 2024 insgesamt um 3,8% höher als im Vorjahresquartal.
Aber dieser Anstieg kompensiert die Reallohnverluste aus der Zeit des „Post-Corona-Schocks” keineswegs. Die Preise für Nahrungsmittel stiegen seit 2020 laut Statistischem Bundesamt um über 30%. Benzin ist um 40% teurer geworden. Der Besuch im Restaurant kostet heute 26% mehr als 2020. Deshalb bleibt – trotz gestiegener Lohnsumme – weniger Netto vom Brutto.
Wer die Jahre 2020 und 2024 miteinander vergleicht, stellt fest: Unterm Strich steht immer noch ein erheblicher Reallohnverlust!
- Bedeutung des „Angebots”: Ohnehin bestehender Reallohnverlust wird fortgesetzt und sogar noch verstärkt!
Wie unter Ziffer 1 dargestellt, ist selbst bei einer punktuellen Reallohnsteigerung von 3,8 Prozent ein mittelfristiger Reallohnverzicht in der Rückschau zu verzeichnen. Dieser Verlust steigt noch weiter an, wenn es bei dem „Angebot“, welches aktuell unter der Inflation liegt, bliebe.
- Trügerische Inflationsberechnung
Wichtig ist auch festzuhalten, dass die Preise insgesamt keineswegs zurückgehen, sondern sich nur das Tempo der Geldentwertung verlangsamt. Die EZB spricht aktuell zwar von der Rückkehr zum Zwei-Prozent-Ziel – aber das misst eben nur den „Anstieg nach dem Anstieg“, dem bereits ein hoherAnstieg vorausge gangen war.
Betrachtet man die Entwicklung seit 2020, haben die Preise im Warenkorb um knapp 20% zugelegt. Das bedeutet: Das Geld hat sich auch dann entwertet, wenn die EZB (und auch die Arbeitgeber!) den Kampf gegen die Inflation für beendet erklären.
- Keine Berücksichtigung des Nachholbedarfs aus der letzten Tarifrunde bei extrem hoher Inflationsrate
Sollte alleine der Reallohnverlust seit 2020 ausgeglichen werden, hätte es in diesem Zeitraum Tariferhöhungen von 20% erfordert. Das hat aber nicht stattgefunden. Hinzu kommen jetzt die notwendigen Tarifsteigerungen für die Zukunft.
- Keine Berücksichtigung der sog. „Leermonate”
Im Angebot der Arbeitgeberseite ist keine Berücksichtigung der sogenannten „Leermonate“ enthalten. Darunter versteht man die Monate, die zwischen dem Auslaufen des bisherigen und dem Abschluss eines neuen Tarifvertrages liegen. Diese werden häufig mit einem Einmalbetrag ausgeglichen. Davon will die Arbeitgeberseite bei den jetzigen Verhandlungen offenkundig nichts hören!
- Vollständiges ignorieren der hohen Tarifabschlüsse im Benchmark und in anderen Branchen
Vollkommen an den Arbeitgebern im VÖB vorbei zu gehen scheinen die weitaus arbeitnehmerfreundlicheren Tarifabschlüsse der anderen Branchen:
- Öffentlicher Dienst der Länder 11% (25 Monaten Laufzeit)
- Postbank 11,5% (26 Monate Laufzeit)
- Privates Bankgewerbe 10,5% (28 Monate Laufzeit)
Darüber hinaus wurden zum Teil weitere wichtige Komponenten in den o.g. Verhandlungen erreicht, wie z.B. die Einführung eines Mindest- oder Sockelbetrags oder der „Kauf” zusätzlicher Urlaubstage durch Gehaltsumwandlung. Auch hiervon ist von der Arbeitgeberseite nichts aufgegriffen worden!
- Nochmalige Anrechnung der Arbeitszeitverkürzung aus dem letzten Tarifabschluss
Bereits im letzten Tarifabschluss wurde die Arbeitszeitverringerung von 39 auf 38 Stunden mit 2,56% auf den Abschluss angerechnet. Dessen ungeachtet möchte der Arbeitgeberverband „VÖB” diesen Aspekt erneut berücksichtigen und zu Lasten der Gehälter anrechnen.
Würde man dieser Logik folgen, entstünde eine Art „Generationenbelastung” aus einer längst zurückliegenden Arbeitszeitverkürzung, welche der VÖB seinerzeit selbst vorgeschlagen hatte.
- Keine Bereitschaft zu einer sozialen Komponente
Von einer gewerkschaftlich geforderten Mindesterhöhung von 500€ würden insbesondere kleinere und mittlere Einkommen stärker profitieren. Dies wurde z.B. im Abschluss TVöD von Bund und Kommunen im Jahr 2023 auch so vereinbart. Dabei haben die Beschäftigen im Schnitt eine Entgelterhöhung von 11,5% bei 24 Monaten Laufzeit erhalten. Durch die Anwendung von Mindest- bzw. Sockelbeträgen bewegten sich die Erhöhungen der unteren Einkommen zwischen 13 und 16%! Damit wurde der Nachteil ausgeglichen, dass Beschäftigte mit kleinen oder mittleren Einkommen durch die hohe Inflation vergleichsweise härter getroffen wurden. Die Kosten sind gerade für die Grundversorgung überproportional gestiegen und konnten von den Betroffenen nicht kompensiert werden. Gerade von öffentlich-rechtlichen Arbeitgebern erwarten wir, dass hier soziale Verantwortung übernommen wird.
Deshalb kann man diese Tarifrunde nicht von der „Seitenlinie“ aus betrachten, sondern wir müssen alle gemeinsam für einen fairen und angemessenen Abschluss Gesicht zeigen und klar machen: WIR SIND ES WERT! Wir sehen uns bei den Warnstreiks!
Hier gibt es diese Tarifinfo auch als praktisches PDF zum Herunterladen und Verteilen